Skipper
Einhand von Rostock nach Fehmarn
Es ist Oktober und langsam wird es Zeit das Boot ins Winterlager zu überführen und aus dem Wasser zu holen. Rund 40 sm liegen vor mir. Zum ersten Mal mache ich die Fahrt alleine. Ich bin gut vorbereitet und das Wetter sollte mitspielen. Es sind maximal 15 kn Wind angesagt und das auch erst in der zweiten Tageshälfte. Anfangs wird es voraussichtlich eher wenige Wind geben. Also los geht's; abgelegt ist schnell und problemlos. Mit kleiner Fahrt geht es raus aus dem Hafen und in das Warnow - Fahrwasser. Ein Blick nach rechts zeigt freie Fahrt und nachdem ich im Fahrwasser bin, wird der Autopilot eingeschaltet und die Yacht aufklariert. Die Sonne steht noch tief und verbreitet ein herrliches Streiflicht.
Da es noch früh am Morgen ist, sogar die Scheiben der Sprayhood sind noch voller Morgentau und beschlagen, ist noch wenig Schiffsverkehr. Die Küstenwache beginnt ihren Arbeitstag und überholt mich an Backbord.
An Steuerbord fährt ein Motorboot in der Gegenrichtung an mir vorbei. Das sind die einzige Schiffe, die in Bewegung sind. An anderen Tagen und zu einer anderen Zeit, ist hier viel mehr los. Doch das ändert sich, kaum habe ich die Molenköpfe von Warnemünde passiert. Aus dem Morgendunst taucht die MSC SeaView auf.
Das Schiff ist gigantisch. Es kann bis zu 5.300 Passagiere beherbergen. Allerdings dürfte es aufgrund Corona nicht voll belegt sein. Es wundert mich, dass solch ein großes Kreuzfahrtschiff überhaupt noch unterwegs ist. Vor der Corona-Pandemie waren große Kreuzfahrer in Warnemünde keine Seltenheit. Manchmal lagen bis zu drei dieser Riesen im Kreuzfahrt-Terminal. Während der Pandemie war das Terminal dagegen leer und verlassen. Sah immer sehr traurig aus. Einzelne Passagiere stehen auf ihren Balkonen und schauen aus schwindelerregender Höhe auf mich herab.
Die ersten Stunden muss ich leider motoren. Es weht nur eine schwache Brise und da ich noch eine große Strecke vor mir habe, bleiben die Segel zunächst unten. Da die See ruhig ist und kein Seegang herrscht, mache ich mir um die Mittagszeit ein Müsli, das draußen in der Sonne verzehrt wird. Der Autopilot steuert unterdessen das Boot und hält es auf Kurs. Sehr gemütlich.
Und dann kann ich doch noch den Motor ausschalten und die Segel setzen. Mittlerweile hat der Wind aufgebriest und das Anaemometer zeigt um die 8 -10 kn Wind. Das reicht um die Yacht unter Vollzeug auf 5kn Fahrt durchs Wasser zu beschleunigen. Mittlerweile habe ich die Hälfte der Strecke hinter mir und ringsum ist kein Land mehr zu sehen. So kann es bis Fehmarn weitergehen.
Aber dann schlägt das AIS - Gerät Alarm. Eine Finnlines - Fähre befindet sich auf Kollisionskurs. Ich checke den CPA (closest point of approach) und die TCPA (time to closest point of approach). Als Segler bin ich Kurshalter und die Fähre muss ausweichen. Da ich wahrscheinlich schon sehr frühzeitig von der Fähre durch mein AIS - Signal gesehen wurde
fahre ich also ohne Kursänderung weiter und beobachte die Finnlines. Ich stelle fest, dass das Schiff eine leichte Kursänderung vornimmt und so hinter mir durchgehen wird. So geschieht es auch. Die Fähre passiert mein Heck in ca. 3 - 4 Kabellängen. Ich kann beruhigt weiter fahren.
Ich begebe mich kurz unter Deck, um dort nach dem Rechten zu sehen. Nicht, dass das aus irgendeinem Grund erforderlich gewesen wäre. Die Sonne steht bereits tiefer und verbreitet ein warmes Licht im Salon. Das Radio spielt Musik, das Funkgerät quakt, alles ist in bester Ordnung. Schade, dass ich nur zu den Seiten und nach hinten Ausschau halten kann. Mit einer Möglichkeit auch nach vorne schauen zu können, könnte ich längere Zeit unten im Schiff bleiben. Also geht es wieder nach oben, was bei dem herrlichen Wetter keinerlei Überwindung kostet.
Und dann kommt auch schon das Fahrwasser von Burgstaaken in Sicht. Langsam dirigiere ich die Yacht in den Hafen Burgtiefe. Während der Anfahrt werden die Fender ausgepackt und angebracht sowie die Leinen vorbereitet. Da ich Einhand unterwegs bin, ist genau zu überlegen, wie und wo ich anlegen werde. Ich entscheide mich für das Anlegen längsseits, da kein nennenswerter auflandiger Wind zu erwarten ist, der die Fender belasten würde und für unruhigen Schlaf sorgen würde. Letztlich benötige ich doch zwei Anläufe, bis die Yacht sicher vertäut am Steg liegt. Ich bin beruhigt und zufrieden mit meiner Einhand - Fahrt. 35 sm mehr stehen auf der Logge, die in ca. 8 Stunden absolviert wurden.
